Wichtig für die Besucherinnen und Besucher der Tagesstruktur ist es, Teil einer Gemeinschaft zu sein.
Vor zehn Jahren hat der Förderraum im Rheintal sein erstes Angebot einer Tagesstruktur eröffnet. Doris Schlegel, Leiterin Tagesstruktur erzählt, wie sich das Angebot entwickelte und warum es immer mehr Besucherinnen und Besucher gibt.
Doris Schlegel, als der Förderraum vor zehn Jahren die Tagesstruktur in Heerbrugg eröffnete, wer kam da?
Ganz am Anfang kam gar niemand (schmunzelt). Das brauchte eine Anlaufzeit, denn so eine Tagesstruktur ohne Lohn, das war gewöhnungsbedürftig. Die ersten Teilnehmenden kamen aus dem Psychiatriezentrum. Mit den Psychiatrie-Diensten Süd haben wir seit 13 Jahren eine Kooperation und arbeiten noch heute eng zusammen.
Und wer kommt heute?
In die Tagesstruktur kommen viele Menschen, die schon lange psychisch krank sind, die Mühe haben, den Tag zu strukturieren, und denen soziale Kontakte fehlen. Oder Menschen, die vorübergehend eine Tagesstruktur suchen und dann wieder in den Arbeitsprozess
einsteigen möchten. Allen gemeinsam ist aber, dass sie die Zugehörigkeit zu einer Gruppe suchen, und so kommen auch immer mehr Personen, die uns vom Hörensagen kennen. Denn die Menschen, die zu uns kommen,
die reden darüber, sagen «ich gehe jetzt in die schöne Villa in Au» oder «ich besuche die Tagesstruktur in St. Gallen». Das ist ihr Treffpunkt. Am Anfang haben die Besucherinnen und Besucher viel weniger
darüber geredet, da war ihre Anwesenheit in der Tagesstruktur noch mit Scham behaftet.
Was machen die Leute in der Tagesstruktur in Au, St. Gallen und Uznach?
Wir haben Ateliers und je nach Standort eine Werkstatt und eine Küche. Wir essen jeden Mittag zusammen. Dann entwickeln sich
auch immer wieder neue Projekte, die jemand aus der Gruppe anreisst. Jetzt haben wir gerade ein Musikprojekt, das hat sich super etabliert.
Immer mehr Personen wollen mitmachen; darunter solche, die zum ersten Mal im Leben ein Instrument spielen. Ebenfalls etabliert hat
sich eine Gruppe, die sportlich ist und gemeinsam auf Wanderungen geht. In St. Gallen hat es Besucherinnen und Besucher, die sehr kreativ arbeiten, deshalb ist im Herbst eine Ausstellung geplant. Wichtig ist aber auch, dass die Leute sich hier einfach treffen können, sich persönlich austauschen, zusammen spielen oder im schönen Garten sitzen.
Der Bedarf hat zugenommen in den letzten Jahren. Warum?
Das ist eine gesellschaftliche Frage. Die Menschen, die in eine Tagesstruktur kommen, leben wohl zu 95 Prozent allein. Viele haben
dann aufgrund ihrer psychischen Erkrankung Schwierigkeiten, soziale Kontakte aufrecht zu erhalten. Ich denke, Einsamkeit ist ein grosses soziales Problem. Es gibt auch Menschen, die vorübergehend hierherkommen, mit dem Ziel, wieder zu arbeiten. Sie werden zum Teil von einem Jobcoaching begleitet.
Wir sprechen jetzt immer von Menschen mit psychischen Problemen. Ist das ausschliesslich Ihr Publikum?
Nein, die Tagesstruktur besuchen auch Menschen mit einer Hirnverletzung oder mit neurologischen Erkrankungen. Dann gibt es auch Menschen mit körperlichen Leiden oder Schmerzpatienten, kombiniert mit einer psychischen Erkrankung.
Mit Blick in die Zukunft – wie könnte sich das Angebot weiter entwickeln?
Ich wünsche mir mehr Mitwirkung von Menschen mit Erfahrung mit psychischer Erschütterung und Genesung. Aktuell findet dazu im Förderraum ein Pilot-Projekt mit einer Peer-Mitarbeiterin statt. Ausserdem stelle ich mir mehr Bildungsmöglichkeiten in Bezug auf die psychische Gesundheit vor. Zum Beispiel ein Ort, in dem Besuchende und Fachmitarbeitende miteinander Neues entdecken und auch ausprobieren können.
Unsere Tagesstruktur-Angebote finden Sie an folgenden Standorten:
Tagesstruktur Rheintal, Bahnhofstrasse 21, 9434 Au
Leitung: Ursula Moosmann,
T 071 722 30 92
Tagesstruktur St. Gallen, Bedastrasse 3, 9000 St. Gallen
Leitung: Gabi Fraunholz,
T 071 242 20 90
Tagesstruktur Zürichsee-Linth, Zürcherstrasse 1, 8730 Uznach
Leitung: Doris Schlegel,
T 076 569 57 96
Tagesstruktur Brauerstrasse , Brauerstrasse 96, 9016 St. Gallen
Leitung: Eduard Landaal,
T 071 282 16 20
Tagesstruktur Kirchstrasse, Kirchstrasse 10, 9200 Gossau
Leitung: Michaela Heinzle,
T 071 377 14 12
Die Angebote werden flexibel gestaltet und beinhalten je nach Gegebenheiten der Lokalitäten vor Ort und der Interessen der Klientinnen und Klienten unterschiedliche Aktivitäten.